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In Jörg Czischkes nachgelassenem Gesamtwerk spielt sein voluminöses „Caliban-Projekt”1 von 1975 eine herausragende Rolle, nicht zuletzt, weil sich am Beispiel dieses Exponats Czischkes künstlerisches Arbeiten nachvollziehen, darstellen und diskutieren lässt. Die Bonner Kunsthistorikerin Dr. Uta F. Miksche strich in einem nicht datierten Text (ca. 1998) den Wert dieses Werks besonders heraus.2 Sie weist in ihrer Arbeit auf das schriftstellerische Werk Arno Schmidts als eine von Jörg Czischkes unübersehbaren Inspirationsquellen hin und präzisiert dies dahingehend, dass: „ … die Erzählung „Caliban über Setebos“ [von Arno Schmidt], die dieser als Kontrafaktur zum griechischen Orpheusmythos 1964 geschrieben hat. Grundlegend für Schmidts Text sind die weitreichenden Verschlüsselungen und Umformungen, die dem Leser zunächst kaum darauf Hinweise geben, in der Erzählung eine Anspielung auf den Orpheusmythos zu sehen. […] und über diesen Umweg den antiken Mythos zum Bewusstsein auch aus vorgefundenen, scheinbar wertlosen Materialien [zu weisen].”

Dem Betrachter, der sich in Czischkes großformatige, leinenbezogene Caliban-Box vertieft, öffnet sich – mit jedem Blatt mehr – ein eigener Kosmos und ein weit skizzierter Horizont künstlerischer Artikulation. So wäre es ebenso banal wie falsch, ihn wegen seines „Caliban” als „Illustrator Arno Schmidts”3 zu kategorisieren. Seine Arbeit ist auch nicht als parasitär anzusehen, da sie sich nicht an der berühmten Vorlage vergeht und diese auch nicht parodiert. Im Gegenteil, Czischke hat mit nahezu allen gängigen künstlerischen, grafischen und typografischen Methoden über mehr als drei Jahre hinweg den verklausulierten, fundstellenreichen, von Arno Schmidt fortgeschriebenen Orpheus-Caliban-Mythos weiterentwickelt und auf seine Ebene der darstellenden, bildgebenden Künste gehoben, ohne auch nur eine der ungezählten Assoziationen des Urtextes zu beschädigen oder gar zu verfälschen.

Warum schrieb Uta Miksche in ihrer Arbeit explizit „Kontrafaktur”? Der Begriff, folgt man den gängigen Nachschlagewerken, steht für nichts weniger als die „Umdichtung” eines Werkes4 – vielleicht auch im Sinne einer visuellen Vertonung des Urtextes. Czischke wendete, wie in vielen seiner Arbeiten der späten 60er und frühen 70er Jahre, damals richtungweisende Analyse- und Arbeitstechniken an, die uns heute alltäglich geworden sind. Nahezu alle Blätter hat er über die Struktur, die Details und den Duktus seiner Arbeit derart miteinander verbunden – vernetzt –, dass sich ein Vergleich mit der „hypertext language” (html), ohne die aktuelle Kommunikation nicht mehr den­kbar zu sein scheint, anbietet, gelegentlich sogar aufdrängt. Czischke hat das vorweggenommen und für sich vereinnahmt, was erst durch neuentwickelte Programmiersprachen breit realisiert werden konnte. 
Jörg Czischke
Caliban über Setebos –
Paraphrase zur Literatur


Peter Zillig, Köln
2010










„…ein zwittrig Gebilde…”













„… um stilistischen Einseitig­keiten 
herkömmlicher Illustrationen zu entkommen.”