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Am 23. Juli 1975 besuchte Ernst Krawehl9, Arno Schmidts langjähriger Lektor bei Stahlberg und S. Fischer, auf Einladung Czischkes diesen in der Kölner Wolfsstraße, wo ihm Czischke seinen Caliban vorstellt. Krawehl tritt beeindruckt und ratlos den Heimweg an.10 „Ich möchte eine zeitlang selber näher hineinsehen können, in Ihr [hier einige Leerstellen im Typoskript] für das ich nur eine Leerstelle habe und einen Ausdruck suche und finde.” Krawehl macht den Vorschlag, „einige Blätter … wohl auch Schmidt [zu] zeigen bei Gelegenheit; nehmen Sie aber für gewiß an, daß er nicht ins Einzelne steigen wird. Es wäre auch zwecklos.” Als exzellenter Kenner des für seine barsche Abwehr jeglicher Kontaktaufnahme von außen bekannten Schriftstellers, macht er Czischke wenig Hoffnung auf eine - wie auch immer geartete - Reaktion Schmidts und meinte sogar, dass eine ablehnende Haltung gut wäre, „weil es den Impetus wachrufen könnte: Jetzt rede ich. Und darauf käme es ja sehr an.”11

Schon bald, am 28. Juli 1975 folgt der nächste Brief Krawehls. Er machte,
neben der Anmerkung, immer noch mit „einer Urteilsfindung(,) Ihrer großartig-weitgedehnten Paraphrase der Calibanerzählung” beschäftigt zu sein, den Vorschlag, Czischkes Caliban-Blätter für seine und mögliche weitere Betrachter auf Kleinbildfilm zu reproduzieren, um ungestört und ohne Beschädigungssorgen damit arbeiten zu können. „Ob Sie sich dazu durchrängen, mir – sei‘s das ganze Skript, sei‘s einige Seiten, für diesen Versuch zu geben? […] Ich gehe selbst in die Werkstatt, lege jedes Blatt vor und nehme es auch wieder ab (woran Sie sich auch beteiligen können, wenn‘s Ihnen noch sicherer scheint).”12

Die den Caliban betreffende Korrespondenz ist (Stand Januar 2010) leider nicht vollständig erhalten; archiviert sind lediglich die Krawehl-Dokumente. Doch um den 29. Juli 1975 hat Czischke wohl an den Schmidt-Lektor geschrieben, der sich „sehr über alles gefreut (hat)”, was er gelesen hatte und dies
in einem neuen Brief zum Ausdruck bringt.13 Bedauerlicherweise war er durch einen Heidebrand stark in Anspruch genommen, in dessen Folge A.S. seine Bibliothek und „sonstige Unterlagen” auslagern musste und Krawehl sich intensiv um die „Große Aufregung und verständliche schwere Depression [von A.S.] dieser Umstände halber” zu kümmern hatte. Immerhin beschreibt er Czischkes Arbeit als „Caliban-Paraphrase (Kurzausdruck, der ganz ver­kürzend ist).”14 Ein gutes halbes Jahr später schickte Czischke Krawehl eine kurze, freundliche Erinnerung15 an sich und seinen Caliban und in bester A.S.-Typographie: „Herr Krawehl. , : ? ( ! ) . mit besten Grüßen & Wünschen : der Ihre (gez. Czischke)”.

Für den Zeitraum bis zum 5. Mai 1981 ist nichts archiviert, so ist davon auszugehen, dass in der Zwischenzeit nichts substantielles geschah. Ernst Krawehl umschreibt in seinem Brief16 seine Aktivitäten mit bewegenden,
Jörg Czischke
Paraphrast versus Lektor –
Duale Bemühungen um ein
Czischke-Kunstwerk