InhaltKontakt

DeutschEnglish

Er bezweifelte in vielen Gesprächen mit Kunsthändlern die allgemein gültigen bürgerliche Markt-Usancen, von denen er sich eingezwängt sah. So war es
für Menschen, die ihn näher kannten, keine Überraschung, dass er sich schließlich völlig aus der Öffentlichkeit zurückzog, da er in vielem, was er ablehnte, die Entstehung von künstlerisch sterilen Monokulturen sah, die durch aggressive Meinungsmonopole geschützt wurden.

Er war generell ein präsenter, universeller, ein genauer Beobachter mit einer weiteren ihn auszeichnenden Eigenschaft: Er ließ keinen neuen Gedanken liegen, nicht seinen eigenen, nicht den anderer Künstler. In meiner Erinnerung dachte er zu manchen Zeiten „in mehreren Köpfen gleichzeitig”. Seine von ihm mit Leidenschaft vorgetragenen Denkfrüchte waren nicht jedermanns Sache. Mancher seiner Freunde fühlte sich beeinflusst und, ja, von Czischke ‚gegängelt’. So blieben die Freunde mehr und mehr aus. Sie gingen den Kontroversen mit ihm und seiner Denk- und Lebensweise aus dem Weg.

Wenn er zeichnete, dann malte, kolorierte er im Kopf weiter, gleichzeitig dachte er darüber nach, wie ungewöhnliche Materialien (Metall, Plastik, Textilien, Sperrgut und Fundstücke) als Träger seiner Kunst zu erschließen seien. Seine thematisch wie material-technisch gewagten Collagen, die er über lange Zeiträume hinweg in meist hauchfeinen Schichten aufbaute, begleitete er mit Kommentaren, die es wert gewesen wären, in Hörspiele umgesetzt zu werden. Von seinen Farbexperimenten schuf er Aufzeichnungen, die in ihrer Systematik manchem Konstruktivisten alle Ehre gemacht hätten.

Seine individuellen, sehr persönlichen Buchobjekte, in enger Kooperation mit Margarethe Czischke-Sabata entstanden und von ihr sorgsam gehütet, haben auch heute aus der Rückschau von 20 und mehr Jahren einen Reiz, der sich nur dem offenen Kunstfreund und nicht dem vergleichenden Wissenschaftler oder bilanzierendem Händler erschließt: Jedes Blatt, jedes Detail ist fein ausgearbeitet, eine Flut von Ideen und Denkanstößen, Kollagen, Frottagen, Ausrissen, Übermalungen, Assoziationen, Karikaturen, alles fügt sich zu einer beeindruckenden Gesamtdarstellung. Auch hier ist von riskantem Materialmix in enger Verbindung mit subtilen Darstellungsformen zu berichten. Sein herausragendstes Buchprojekt ist Czischkes Paraphrase auf Arno Schmidts „Caliban über Setebos”.
Jörg Czischke